#Spotlight | Chinesische Aktien – Reif für eine Neubewertung?

China hat sich in den letzten Jahren unglaublich rasant entwickelt. Einst setzte das Land der Mitte noch auf eine Abschottungspolitik, ehe es sich der Welt öffnete und zu einem echten „Global Player“ wurde. Doch mit Ausbruch der Covid-Pandemie änderte sich einiges. China verfolgt bis heute eine sehr strenge „No-Covid-Strategie“. Zudem sorgte die chinesische Regierung im Jahre 2021 für einen „Regulierungscrash“ an den lokalen Börsen. Nichtsdestoweniger sorgt das Jahr des Tigers nun wieder für Hoffnung bei den Anlegern. Ist es Zeit, den chinesischen Markt neu zu bewerten? In der neuen e-fundresearch.com #Spotlight Ausgabe haben wir hierzu exklusiv mit Experten aus den Häusern DWS, UBS Asset Management und Comgest gesprochen. Markets | 10.03.2022 19:00 Uhr
von oben links im UZS: Jie Song, Equity Specialist Emerging Markets and Asia Equities (UBS Asset Management), Sean Taylor, CIO APAC (DWS) & Jasmine Kang, Portfoliomanagerin (Comgest) / © e-fundresearch.com / Comgest / DWS / UBS AM
von oben links im UZS: Jie Song, Equity Specialist Emerging Markets and Asia Equities (UBS Asset Management), Sean Taylor, CIO APAC (DWS) & Jasmine Kang, Portfoliomanagerin (Comgest) / © e-fundresearch.com / Comgest / DWS / UBS AM
Archiv-Beitrag: Dieser Artikel ist älter als ein Jahr.

Für China begann am 01.02.2022 ein neues Jahr, das Jahr des Tigers. Viele China-Anleger erhoffen sich diesbezüglich auch in gewisser Weise einen „Neustart“, denn das Jahr des Ochsen (2021) war für die Börse definitiv schwerfällig. Vor allem die hochgepriesenen Tech-Werte verloren 2021 deutlich an Wert, nachdem sie in den Fokus der chinesischen Regierung gekommen waren. Dabei brachen die Börsenkurse großer chinesischer Unternehmen wie Tencent, Alibaba oder Evergrande zweistellig ein und viele Milliarden an Marktkapitalisierung verpufften im Handumdrehen. In diesem Zusammenhang fand auch die chinesische Devise, die viele Jahre galt, „Wachstum um jeden Preis“, ein jähes Ende. Das Wachstum wurde der zentralistischen Regierung zu viel und sie fürchtete um ihren Einfluss und Kontrolle. 

Die Zeiten scheinen sich indessen aber geändert zu haben. China setzt wieder auf stärkeres Wirtschaftswachstum, nachdem im vierten Quartal 2021 ein, für chinesische Verhältnisse, schwacher Wirtschaftszuwachs von vier Prozent verzeichnet wurde. Dabei agiert die Notenbank Chinas antizyklisch (jedenfalls im Vergleich zum neuen Kurs von Fed oder BoE) und senkte im Januar, auch etwas überraschend, das erste Mal seit April 2020 einen Referenzzins für mittelfristige Darlehen von 2,95 % auf 2,85 %. Ziel dieser Aktion ist es, die Kreditkosten zu drücken und der Konjunktur wieder Aufschwung zu verleihen. Des Weiteren hat die People’s Bank of China (PBoC) den Mindestreservesatz um 50 Basispunkte verringert. Die einjährige Loan Prime Rate (LPR) wurde bereits mehrfach gesenkt und liegt derzeit bei 3,7 %. Außerdem plant die Regierung aus dem Reich der Mitte Wachstum über die Immobilienbranche zu erreichen. 

China will mit seiner neuen Strategie vor allem das Kreditwachstum fördern und Liquiditätsengpässe verhindern. Dies unterstützt nicht nur die Infrastrukturausgaben, sondern dient auch dem großen chinesischen Ziel, Wohlstand für alle. Diese Maßnahmen sorgen auch bei internationalen Investoren für Aufmerksamkeit und erhöhen das Interesse. Laut Morgan Stanley erreichten die ausländischen Nettozuflüsse in chinesische Aktien über das Stock-Connect-Programm in den ersten drei Wochen des Jahres 2022 einen rekordverdächtigen Tagesdurchschnitt von 413 Millionen Dollar.

Steht eine Trendwende an?

Aus Sicht von China-Investoren war das Jahr 2021 eine regelrechte Achterbahnfahrt der Gefühle. Chinesische Unternehmen waren auf einem guten Weg, den amerikanischen Firmen den Rang abzulaufen. Allerdings stand man sich am Ende politisch selbst im Wege und vertrieb damit internationale Investoren. Chinas Top-Unternehmen waren und sind im Würgegriff der dort regierenden Partei. Die Führung in Peking sorgte mit regelmäßigen Ankündigungen für Schockzustände an den Börsen. Jie Song, Equity Specialist Emerging Markets and Asia Equities von UBS Asset Management, hat mit dem vergangenen Jahr in gewisser Weise abgeschlossen und blickt zuversichtlich in die Zukunft: „Regulierungsbedingte Marktvolatilität beeinträchtigte im vergangenen Jahr das gesamte Investitionsumfeld in China, aber es gibt bereits Anzeichen für eine Trendwende an den Märkten. Regulierungen in China verlaufen oft in Zyklen. Nach dem anfänglichen Schock eines neuen Regulierungszyklus im Jahr 2021, haben wir die intensivste Phase wahrscheinlich hinter uns. Im Jahr 2022 passen sich die Unternehmen an das aktuelle Umfeld an und in den Marktbewertungen sind die Auswirkungen der Politik bereits berücksichtigt.“  

Des Weiteren gibt der UBS-Experte zu bedenken, dass sich China in einem Umdenkprozess befindet und sich daraus einiges an Wachstumspotenzial entwickle. „Unserer Meinung nach ist ein komplexeres regulatorisches Umfeld kein Grund, um von Investitionen in eine der weltweit größten Volkswirtschaften Abstand zu nehmen. China ist nicht nur das Land mit den meisten Börsengängen neben den USA, sondern beheimatet auch die meisten Ingenieure und MINT-Absolventen der Welt – und ist auf dem besten Weg, viele technologieorientierte Branchen zu dominieren“, so Song. Sean Taylor, Asien-Pazifik CIO bei der DWS, zeigt sich skeptischer: „Im Vergleich zu den Industrieländern bleiben die Gewinnrevisionen und das Verbrauchervertrauen in China schwach. Die Änderung der „No-Covid-Strategie", die Erholung des Konsums, die Verringerung der regulatorischen Risiken und positive Gewinnrevisionen wären aussichtsreiche Katalysatoren für chinesische Aktien.”

Kurzfristig expansive Geldpolitik, langfristige Reformbemühungen 

Während die Fed, BoE und die EZB alle in Richtung Zinserhöhungen blicken und die expansive Geldpolitik schrittweise zurückfahren, schlägt China die gegengesetzte Richtung ein. Die chinesische Zentralbank hat den ersten Schritt für eine lockerere Geldpolitik im Dezember bereits gemacht. Sie änderte die Regularien für die Banken und senkte nun im Jänner Referenzzinsen. All diese Maßnahmen sollen dem stockenden Wirtschaftsmotor neue Energie einhauchen. Jasmine Kang, Portfoliomanagerin für chinesische Aktien bei Comgest, stuft China in diesem Zusammenhang als spannende Option für Anleger ein: „2022 könnte die Inflation rund um den Globus nach oben schnellen. In diesem Fall könnte sich China als Zufluchtsort erweisen, da die Inflation dort niedrig bleibt und die Geldpolitik gelockert wird. Es gibt deutliche Anzeichen für eine Lockerung im Immobiliensektor und ein Kreditwachstum Anfang 2022. Zu einem späteren Zeitpunkt könnten Investitionen in die Infrastruktur wieder anziehen, gefolgt von einem Anstieg der Staatsanleihen-Emissionen.“  

DWS-Stratege Sean Taylor erwartet keine allzu expansive chinesische Geldpolitik: „Es ist unwahrscheinlich, dass die PBoC die Geldpolitik deutlich lockern wird, da die chinesische Regierung ihre Politik fortsetzt, den Abbau von Fremdkapital zu fördern, wo dies notwendig ist, und sich auf den allgemeinen Wohlstand zu konzentrieren.” Auch Comgest Portfoliomanagerin Kang rechnet damit, dass der Fokus auf langfristigen Reformen und nicht auf kurzfristigen Notenbankmaßnahmen liegt: „China hat nach wie vor einige höchst innovative Unternehmen zu bieten, beispielsweise in den Bereichen Videospiele bzw. Gaming, Elektrofahrzeuge, Biopharma und Halbleiter. Wir sind davon überzeugt, dass die chinesische Regierung ihre langfristigen Reformbemühungen fortsetzen wird und sich von einer investitions- und exportorientierten Wirtschaft hin zu einer auf Binnenkonsum und Innovation ausgerichteten Wirtschaft bewegt.“ Jasmine Kang erwähnt gegenüber e-fundresearch.com auch, dass 2022 ihrer Meinung nach ein gutes Jahr sei, um den chinesischen Markt zu erschließen. China wäre eine willkommene Diversifizierung für Investoren und biete ein stabiles innenpolitisches Umfeld. Sean Taylor stimmt dieser Aussage grundsätzlich zu, meint aber auch, dass Geduld wichtig sei: „Auch wenn die Aussichten für chinesische Aktien im Vergleich zum letzten Jahr besser sind, müssen sich die Anleger gedulden, da die Auswirkungen der sich verlangsamenden Immobilienmärkte und die Umsetzung von Änderungen in der Gesetzgebung die chinesische Wirtschaft weiterhin belasten, bevor sich die Situation im zweiten Quartal verbessert.” 

Spannende Sektoren: „Wohlstand für alle” als Investment-Case 

Das letzte Jahr hat dafür gesorgt, dass sehr viele chinesische Aktientitel mittlerweile sehr günstig bewertet sind. Anleger wittern hier die Chance auf ein großes Upside-Potential. Spannend sind dabei jene Sektoren, die sich an die chinesische Mittelschicht richten, da diese zunehmend in den Fokus der Regierung kam. UBS-Experte Jie Song: „Nach einer großen Korrektur am Aktienmarkt können sich Chancen ergeben. Das allgemeine Wohlstandsthema in China zielt darauf ab, das Einkommen der Mittelschicht zu erhöhen, und daher sehen wir Chancen im Konsum, insbesondere bei Unternehmen, die auf diese Bevölkerungsgruppe abzielen.“ Dies bestätigt auch Comgest-Portfoliomanagerin Kang: „Obwohl ‚Gemeinsamer Wohlstand‘ von einigen als ausschließlich negativ angesehen wird, bietet er für langfristige Anleger wie Comgest vielversprechende Möglichkeiten. Eine dieser Chancen liegt in Unternehmen, die sich mit ihren Produkten oder Dienstleistungen an Chinas Mittelschicht richten.“  

UBS-Experte Song ergänzt, dass auch Haushaltsgerätehersteller wieder einen Boom erleben würden, da die Nachfrage nach Upgrades anziehen könnte. „Auch der Gesundheits- und der Finanzsektor sind für uns weiterhin attraktiv. Die Regulierung des Gesundheitswesens ist nach wie vor ein Problem, aber diese Aktien wurden bereits ziemlich stark abverkauft. In ähnlicher Weise sind einige Finanztitel sehr günstig geworden“, führt Song weiter aus. Auch Jasmine Kang sieht im chinesischen Gesundheitssektor durchaus potenzial: „Der chinesische Healthcare-Markt entwickelt sich rasch weiter, nachdem China sich das Ziel gesetzt hat, das öffentliche Gesundheitssystem zu verbessern. Das Reich der Mitte hat die Forschung und Entwicklung in diesem Bereich stark ausgebaut, um westliche Player einzuholen.” 

Zudem sei der traditionell starke Technologiesektor rund um Halbleiterfirmen, Gaming und E-Commerce weiterhin ein guter Tipp. „Nehmen wir als Beispiel den Bereich Video-Spiele und dabei vor allem die Sparte mobile Handy-Spiele. Sie sind ein großer Teil des chinesischen Kulturexports und somit Chinas Äquivalent zum Hollywood-Film. Unternehmen wie Tencent und Netease haben einen riesigen Inlandsmarkt, um ihre Expertise in der Branche auszubauen und Skaleneffekte zu erreichen“, sagt Comgest-Fondsmanagerin Kang. Sean Taylor hingegen bevorzugt Sektoren, die im positiven Fokus der Regierung liegen: „Wir bevorzugen inländische Titel, die von der politischen Unterstützung der Regierung profitieren könnten, wie z. B. neue Elektrofahrzeuge, Batterien und Industriesektoren. Diese Sektoren werden wahrscheinlich von den steigenden Investitionen der chinesischen Regierung in die grüne Wirtschaft profitieren.”

Fazit

Die chinesische Regierung hat im vergangenen Jahr 2021 dem dort ansässigen Börsenparkett ordentliches Kopfzerbrechen bereitet. Mit dem Start in das neue Jahr, das Jahr des Tigers, zeichnet sich eine deutliche Erholung ab. Eine expansivere Geld- und Fiskalpolitik der People’s Bank of China soll der stockenden chinesischen Wirtschaft neuen Schwung einhauchen und das Reich der Mitte wieder auf den Weg zur größten Wirtschaftsmacht der Welt bringen. Des Weiteren wird der Plan „Wohlstand für alle“ nach und nach umgesetzt, was vor allem den Konsum der Mittelschicht beflügelt. Für Anleger könnten sich hieraus lukrative Chancen ergeben. Die immer noch innovativen und starken Unternehmen in den Bereichen Technologie, Gesundheit und Konsum sind sehr günstig bewertet und bieten durchaus Upside-Potenzial. Auch die neu eingekehrte Ruhe in der chinesischen Politik ist zumindest aktuell sehr zum Vorteil internationaler Anleger.   

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